Dienstag, 11. Mai 2010

Pictures From Nepal

01 Im Hof des Shanti-Zentrums


02 In Kathmandus Straßen


03 Mit einem solchen Tuk-Tuk bin ich jeden Morgen zur Arbeit gefahren


04 ... wenn es keinen Strom gibt


05 Mein Zimmer


06 In der Schule


07 Mit der Förderklasse im Wald



08 Die Fünftklässlerinnen zeigen traditionellen nepalesischen Tanz


09 Bei den behinderten Kindern


10 Bei Shanti finden alle Bedürftigen ein Zuhause. Von jung...


11 ... bis alt


12 In Pashupatinath, der hinduistischen Verbrennungsstätte


13 Ein Leichnam wird am Ufer des heiligen Flusses Bagmati verbrannt


14 An der Stupa, buddhistisches Heiligtum der Exiltibeter in Nepal


15 Vor dem Annapurna-Massiv


16 Überall Müll


17 Die Frauen in den ländlichen Gebieten arbeiten hart


18 Im Dschungel des Chitwan-Nationalparks im Süden Nepals


19 Elephant Ride im Chitwan Nationalpark

Freitag, 16. April 2010

Blickwinkel

In wenigen Tagen werde ich meine Heimreise antreten und meine Abschiedsstimmung waechst von Tag zu Tag.
Vor zwei Wochen bin ich gemeinsam mit drei anderen Volontaeren in den Sueden Nepals gereist und war dort im Chitwan Nationalpark. Dort kontten wir eine Dschungelwanderung machen, traditionelles Kanu fahren und auf einem Elefanten reiten. Wir konnten auch erfahren, was Tourist Business bedeutet, vorallem beim "Cultural Programm": Auf einer eigens zu diesem Zweck gebauten Buehne tanzten Abend fuer Abend junge Maenner aus dem Dorf und zeigten traditionelle Taenze aus dem Volk der Tharu und ein Publikum von ca. 200 Toristen schaute ihnen dabei zu. Wie traditionell die Taenze wirklich waren weiss ich nicht. Vielleicht ist es auch gut, dass so etwas mit den jungen Maennern eingeuebt wird und sie ein wenig Geld bekommen. Aber ich habe mich nicht wohl gefuehlt als ich diese Show sah.

Als wir zurueck in Kathmandu waren, hatten gerade die Schulferien begonnen und so hatte ich auch keine Arbeit in der Schule. Ich habe dann die anderen Volontaere, die im Zentrum arbeiten, bei zwei groesseren Aktionen unterstuetzt: Wir haben ueber 1000 Ostereier gefaerbt und haben fuer eine grosse Gruppe Shanti-Menschen einen Ausflug in den Zoo organisiert.

Nachdem ich den ganzen Maerz ueber wirklich hier war und mein Leben in Deutschland in immer weitere Ferne gerueckt war, merke ich in den letzten Tagen immer deutlicher, wie ich mich langsam von diesem Land loese und dass es Zeit zu gehen ist.
Das einzige was mich hier haelt sind meine Freunde hier. Aber was Nepal angeht habe ich genug. Ich habe das Gefuehl satt zu sein.

Ich freue mich auf Deutschland, meine Heimat. Auch wenn ich weiss, dass ich - wie nach jeder groesseren Reise - zu einem neuen Standpunkt finden muss gegenueber meiner Kultur und der Gesellschaft, in der ich aufgewachsen bin, jetzt da ich sie aus der Distanz erleben konnte. Ich weiss, dass das vielleicht ersteinmal schwierig sein wird.
Aber es wird darauf ankommen, worauf ich meinen Blick richte. Ich werde einigem sicherlich kritisch gegenueberstehen, aber ich weiss auch jetzt schon dass ich fuer vieles sehr dankbar bin, was mir meine Kultur und Gesellschaft ermoeglicht haben: Ich konnte zur Schule gehen, ich kann aus einem riesigen europaeischen Pool an Wissen und Kultur schoepfen, mein Denken darf frei sein, ich kann heiraten wenn und wen ich moechte, muss aber nicht, ich kann zu meiner Aerztin gehen, wenn es mir schlecht geht, ich habe mehrere Wasserhaehne in meiner Wohnung, aus denen sauberes, trinkbares Wasser fliesst, ich kann Arbeit finden und reisen wenn ich genug Geld verdient habe...

Es wird auf meinen Blickwinkel ankommen.

Dienstag, 16. März 2010

Mein Tag in Nepal

Das was ich in meinem Post vom 04.03. ueber den Umgang mit den Menschen geschrieben habe, gilt (so musste ich in den letzten Wochen feststellen) fuer meinen "Alltag" hier nicht. Das liegt wohl daran, dass ich waehrend meiner dreiwoechigen Reise als Touristin unterwegs war und ich als solche behandelt wurde. Jetzt verbringe ich die meiste Zeit des Tages in der Schule, wo ich als Mitglied der Shanti-Familie gesehen werde und an weitgehend touristenfreien Orten.

Ein Tag in meinem nepalesischen Leben sieht etwa so aus:
Nach einem kleinen Fruehstueck in unserem Volontaershaus, in dem ich mit zur Zeit sechs anderen Volontaeren wohne, gehe ich durch die Strassen einer Wohnsiedlung zu einer grossen Strasse, wo die Busse fahren. Haltestellen gibt es hier nicht; man kann einen Bus einfach heranwinken. Woher man weiss wohin er faehrt? Aus der Tuer eines jeden Busses haengt ein junger Mann, der den Wartenden im Vorbeifahren in zugenbrecherischer Geschwindigkeit die Ortsteile zuruft, in die der Bus faehrt: "ChawelBouddhaJorpattiChawelBouddhaJorpatti" Sie haben alle ein dickes Buendel Geldscheine in der Hand und kassieren den Fahrpreis beim Aussteigen - umgerechnet 10 Cent.
Langsam habe ich die ertraeglichste Moeglichkeit mit oeffentlichen Verkehrsmitteln von A nach B zu gelangen herausgefunden: Ich nehme ein Tuk-Tuk. Tuk-Tuks sind kleine dreiraedrige von einem Elektromotor betriebene Fahrzeuge. Es passen hoechstens zwoalf Leute rein und anders als bei den Bussen wird es auch nicht mehr gestopft bis man sich kaum noch bewegen kann.
Mit dem Tuk-Tuk fahre ich zu einer Kreuzung, wo die Strasse die Ringroad trifft - Kathmandus pulsierende Hauptverkehrsstrasse, die den Kern dieser riesigen Stadt umgibt und auf der es tagsueber nur langsam vorangeht. Dort steige ich nach kuerzerer oder laengerer Wartezeit in den Shanti Sewa-Schoolbus und werde gleich von den Kindern begruesst, die alle ihre dunkelrote Schuluniform tragen: "Good Morning Juliya!" Waehrdend der ca 40 minuetigen Fahrt fuellt sich der Schulbus immer mehr mit Kindern und jedes findet noch irgendwie einen Sitzplatz; auf dem Schoss eines aelteren Kindes oder auf einer freien Ecke eines Sitzes.
Gegen 10 Uhr beginnt der Unterricht. Vormittags bin ich Englischlehrerin fuer die Klassen drei, vier und fuenf. Der Englischlehrer hat die Schule vor einigen Wochen verlassen.
Nachmittags bin ich Foerderlehrerin. Bisher habe ich gemeinsam mit einem anderen Volontaer Aktivitaeten mit der Extra Class gemacht. Gestern ist mir jedoch klargeworden, dass ich die Extra Class betreffend etwas Grundlegendes aendern muss: Die Kinder haben individuelle, sehr verschiedene Lernschweirigkeiten und muessen also auch individuell gefoerdert werden und das ist am Besten moeglich, wenn ich mich nur einem Kind zuwende. Habe meine Idee der Einzelfoerderung mit den Lehrern besprochen und sie fand Zustimmung. Ich werde also in den naechsten Tagen mit der jeweiligen Klassenlehrerin ueber die Kinder sprechen und schauen, wie ich sie nach meinen Moeglichkeiten foerdern kann.
Gegen 15.45 faehrt der Schulbus zurueck. Die Nachmittage nach der Arbeit verbringen wir Volontaere oft in einem Cafe an der Stupa in Bouddha, unweit von unserem Haus.
Die Stupa ist das heilige Zentrum der Exiltibeter, die nach Nepal gefluechtet sind. Vorallem morgens und abends ziehen die buddhistischen Glaeubigen meditativ ihre Kreise um die Stupa und bringen die Gebetsmuehlen zum Drehen.
Von der grossen weissen Stupa blicken die alles-sehenden Augen des Buddha in alle vier Himmelsrichtungen und ueberall flattern bunte Gebetsfahnen im Wind.
Obwohl die Stupa ringsum von Cafes, Restaurants und kleinen Geschaeften umgeben ist und auch taeglich Touristengruppen herkommen, ist dieser Ort von einem meditativen Frieden durchdrungen, der den buddhistischen Glauben ausmacht.
In unserem Lieblingscafe koennen wir Stunden verbringen, lesend, lachend, in unsere Tagebuecher schreibend.
Zu Abend essen wir meist in Restaurants, manchmal sind wir auch eingeladen, wie zum Beispiel gestern in das Haus einer Shanti-Mitarbeiterin. Dort konnten wir eine Wohnzimmervorstellung traditionellen nepalesichen Tanzes und Musik erleben.
Am Wochenende machen wir oft Ausfluege und meistens auch das was nepalesiche Frauen Tag fuer Tag tun: Wir hocken auf unserer Dachterasse auf dem Boden vor unseren Waschwannen und schrubben unsere Kleidung.

Die Arbeit in der Schule bereitet mir grosse Freude und ich mache mich hochmotiviert an die Unterrichtsvorbereitung.
Ich habe das Gefuehl in meinem Innern ein Schatzkistchen zu haben, in dem all das ist, was ich mir in den vergangenen Jahren meines Lebens angeeignet habe und was mich ausmacht, meine Faehigkeiten und Begabungen. Aus diesem Schatzkistchen kann ich hier so viel schoepfen und schenken. Ich gebe gern daraus und dieses Geben erfuellt mich mit Freude!

Donnerstag, 4. März 2010

Unterwegs und bei der Arbeit

Gestern bin ich von einer dreiwoechigen Reise innerhalb Nepals wiedergekehrt. Gemeinsam mit drei anderen Freiwilligen fuhr ich nach Pokhara, das ca 200 km westlich von Kathmandu entfernt am Phewa-See liegt. Auf unserem Weg legten wir zwei Zwischenstopps in Ghorka und Bandipur ein.
Mit dem Bus fuhren wir zunaechst aus dem Kathmandu Tal heraus (die Smogwolke ueber der Stadt war weithin sichtbar), dann auf einer erstaunlich gut asphaltierten Strasse, die sich durch die Berge schlaengelte, welche wegen der alljaehrlichen monsunbedingten Erdrutsche alle terassiert sind und spaeter fuehrte uns der Weg durch eine fruchtbare Ebene, in der viel Landwirtschaft betrieben wird.

Waehrend der langen Busfahrten hatte ich viel Zeit, das Leben der Menschen auf dem Land zu beobachten. Das laendliche Leben ist zwar einfach, aber nicht arm. Die Menschen hier leben mehr oder weniger als Selbstversorger und die sozialen Unterschiede sind nicht so gross wie in der Stadt. Ihre Tage sind ausgefuellt mit Arbeiten, die bei uns ganz selbstverstaendlich nebenher laufen und um die wir uns nicht kuemmern brauchen, weil sie von Maschinen erledigt werden: Das morgendliche Wasserholen an gemeinschaftlichen Wasserstellen, das Waschen der Waesche von Hand, das Pfluegen des Ackers mit einem Pflug vor den zwei OChsen gespannt sind, der Transport von Holz, Reissaecken und Steinen in Koerben, die auf dem Ruecken getragen werden.
Ich habe mich gefragt, wie es sich wohl anfuehlen mag, jeden Tag so zu verbringen. Haben die Menschen Freude an ihrer Arbeit? Oder denken sie darueber nicht nach, weil die Arbeit einfach selbstverstandlich notwendig ist? Wie fuehlt es sich an, sein ganzes Leben in einen Dorf zu verbringen und (vorallem als Frau) Tag fuer Tag schwere koerperliche Arbeit zu leisten? 
Diese Menschen fuehren ein so komplett anderes Leben als ich, dass es mir nicht gelingt, mich dort hineinzuversetzen.

Es war wunderbar aus dem stressigen, lauten und dreckigen Kathmandu heruaszukommen und andere Seiten Nepals kennenzulernen!
So hatten wir z.B. wunderscheone Tage in einem autofreien (!) Doerfchen, das nur aus historischen Haeusern bestand, sind auf dem Dach eines Busses gefahren (windig mit guter Aussicht), haben uns von Blinden massieren lassen (Seeing Hands Pokhara) und waren Bootfahren (auf dem Phewa-See).

Von Pokhara aus machte ich mich gemeinsam mit einer anderen Freiwilligen zu einer fuenftaegigen Trekking-Tour im Annapurna-Gebiet auf.  Es gab beim Trekking (nicht zu verwechseln mit Wandern, das ja nahezu eine, laengerem Spaziergang gleicht) oft Momente, in denen ich mich fragte: Warum tu ich mir das eigentlich an? Doch nicht bloss um der schoenen Aussicht Willen?!
Beim achstuendigen Stufensteigen, mit 10 kg auf dem Ruecken und beissenden Magenschmerzen wurde es mir klar: Trekking ist vorallem eine Frage des Willens. 
Es ist auch Grenzerfahrung, ein Austasten der eigenen koerperlichen Grenzen. Auch Selbstkasteiung?
Willensuebung und Willensschulung. 
Anspannung und Anstrengung vs. Entspannung und Erschoepfung. 
Es ist auch Koerpererfahrung,  denn du musst deinen Koerper mit deinem Geist bezwingen. Eine enge Zusammenarbeit zwischen Koerper und Geist. Enger als sonst.

Als ich gestern wieder in Kathmandu angekommen war, hatte ich das Gefuehl, dass ich nun wirklich in diesem Land lebe, auch wenn es mir so fremd ist. Nach sechs Wochen fuehlt es sich nicht mehr wie ein kurzer Urlaubs-Aufenthalt an.

Hier geht es nun mit meiner Arbeit an der Extra-Class weiter. In der Shanti School werden auch Kinder mit leichten geistigen und koerperlichen Behinderungen aufgenommen. Vorallem den Kindern mit geistiger Behinderung faellt das Lernen schwer, sie brauchen einfach viel mehr Zeit als die anderen. Sie sind in die Klassen integriert und nehmen auch an allen Stunden teil, doch fuer die meisten von ihnen ist das oft anstrengend und frustrierend.
Fuer sie soll die Extra-Class nachmittags ein Raum sein, indem sie spielerischer und langsamer lernen koennen und duerfen. Ausserdem moechten die beiden anderen Freiwilligen und ich das Selbstbewusstsein und Selbstwertgefuehl dieser Kinder foerdern. 
In den eineinhalb Stunden, die uns nachmittags zur Verfuegung stehen, spielen malen oder basteln wir mit den Kindern. Die ca. zehn Kinder unserer Gruppe kommen aus den Klassen 1 bis 3 und sprechen nur wenig bis garkein Englisch.
Es ist eine grosse aber schoene Herausforderung, die Aktivitaeten so auszuwahelen, vorzubereiten und zu erklaeren, dass die Kinder sie verstehen.
Vormittags assistiere ich den Klassenlehrerinnen beim Unterricht und lerne viel dazu. Oder ich  versuche mit und fuer die schwerbehinderten Kinder, die in der Naehe der Schule wohnen, Aktivitaeten zu machen.

Die Haelfte meiner Zeit hier ist schon um und ich freue mich auf die naechsten Wochen, in denen ich in der Schule arbeiten und Ausfluege in der Umgebung von Kathmandu unternehmen werde. Vielleicht werde ich Ende Maerz fuer ein paar Tage in den Chitwan-Nationalpark im Sueden Nepals fahren und dort auf einem Elefanten durch den Dschugel reiten! 

Eine andere Sprache

Bevor ich nach Nepal kam, dachte ich, ich wuerde vielleicht Schwierigkeiten haben mit der stressigen Stadt, dem Schmutz, dem einfachen Leben, dem Essen... Aber das Anpassen an diese Umstaende fiel mir leicht. Es stellte sich heraus das die groesste Schwierigkeit der Umgang mit den Menschen hier ist. Ieh empfand und empfinde es oft als sehr anstrengend, den Menschen hier zu begegnen.
Was macht es so anstrengend? frage ich mich.

Zum einen ist es so, dass ich, wenn ich als Touristin in der Stadt unterwegs bin, stets misstrauisch sein muss, leider. Wird der heilige Mann, der mir entgegen kommt, mir gleich einen Tikka (roten Punkt) auf die Stirn druecken um anschliessend Geld fuer die unfreiwillige Segnung zu verlangen? Besser ich mache einen Bogen um ihn. Stimmt es wirklich, dass dieser Bus nach Goshala faehrt? Lieber frage ich noch zwei weitere Leute.

Ich habe auch gemerkt, dass ich oft misstrauisch bin, weil ich die vielen fremden Dinge und Menschen als feindlich empfinde, eben weil sie so fremd sind. Das ist vielleicht ein ganz urmenschlicher Instinkt. Dabei wollen mir die meisten Menschen doch garnichts Boeses. Trotzdem muss ich immer wachsam und oft misstrauisch sein - vielen Menschen gegenueber wahrscheinlich zu Unrecht.
Das misstrauisch-sein, der Argwohn ist anstrengend. 
Aber das ist etwas, was weniger wird umso laenger ich hier bin. Langsam lerne ich, wann ich misstrauisch werden sollte.

Ein anderer Punkt ist, dass ich die Sprache der Menschen hier nicht verstehe und zwar im doppelten Sinne: Ihre Worte nicht und ihre Gesten nicht.
Zum Beispiel wackelt ein Nepali mit dem Kopf hin und her wenn er Ja meint. ALso die Bewegung die wir machen, wenn wir unentschlossen sind. Ich weiss zwar dass sie Ja meinen, aber denke dass sie total unentschlossen sind. Ich muss mir also mit dem Kopf sagen, dass das Ja heisst, es also gewissermassen uebersetzen. So ist das auch mit anderen Gesten oder Verhaltensweisen: Wenn ich etwas als sehr unhoeflich oder merkwuerdig empfinde, versuche ich innerlichg dagegen zu arbeiten, indem ich mir sage, dass es moeglicherweise anders gemeint ist und ich es bloss falsch uebersetze. Ich versuche also eine neue Sprache zu lernen.
Es ist erstaunlich, wie sehr ich gepraegt bin durch die Kultur in der ich aufgewachsen bin - bis in die Bewegungen, die Mimik, die Gestik hinein. 

An was ich mich jedoch am wenigsten gewoehnen kann, ist, dass hier andere Grenzen gelten. Der Raum, den eine Europaer um sich herum benoetigt um sich wohlzufuehlen (ca. 1 m) ist ein anderer als der eines Nepalis. Das koente daran liegen, dass wir mitten im Zeitalter der Individualisierung stecken, wohingegen die Menschen hier ein viel ausgepraegteres "Clan-Verhalten" haben. Sie wissen vielleicht auch nichts von dem Schmerz der Einsamkeit, den man in einer europaeischen Gesellschaft empfinden kann und fuehlen sich noch viel mehr mit ihren Mitmenschen verbunden.
Ich habe dauernd das Gefuehl, dass Menschen in diesen Raum eindringen. Nicht bloss mit Armen und Beinen, vielmehr duch Anstarren und Anlabern.
Es ist einfach so, dass ich, wenn ich an einer Strasse entlanggehe oder in einen Bus einsteige nicht dauernd gefragt werden moechte woher ich komme oder ob ich einen Pashmina-Schal, Tigerbalsam oder sonstigen Schnickschnack kaufen moechte. Ich stehe also unter der staendigen Anspannung, meinen indivuduellen Raum verteidigen zu muessen.
Mittlerweile reagiere ich dann oft genervt, manchmal sogar aggressiv, obwohl ich so nicht mit den Menschen hier umgehen moechte.
Eigentlich moechte ich offen sein, muss mich aber oft verschliessen, um mich selbst zu schuetzen. Ich stehe unter der Spannung eines staendigen Balanceakts zwischen Oeffnen und Schliessen meiner selbst, ein standiges Austasten von unsichbaren Grenzen, fuer die ich (anders als zuhause) kein intuitives Gespuer habe, denn hier ist alles anders.
Auch ich bin anders und so taste ich auch meine eigenen Grenzen aus.

Montag, 1. Februar 2010

Beeindruckendes und Erschuetterndes

Ich mache mich auf den Weg zum Shanti-Zentrum. Ich laufe durch kleine Gassen, an einem chaotischen Markt vorbei und schliesslich an einer grossen Strasse entlang. Ich merke: Es sind sehr viele Augen auf mich gerichtet, die ihre Neugier nicht verstecken. Ja, als hellhaeutige, blonde, westlich gekleidete Frau faellt man hier sehr auf.
Wir westlichen Menschen gelten hier als besonders schoen, vorallem unsere helle Haut. In der Stadt sehe ich hin und wieder grosse Werbeplakate auf denen Schoenheitsprodukte eine hellere Haut versprechen.

Im Zentrum angekommen werde ich freundlich begruesst: "Namaste!"
Die Gebaeude konnten mithilfe einer grossen Spende, die Hape Kerkeling in einem beruehmten Fernsehquiz erspielte und durch andere Spendengelder gebaut und vor ca. einem Jahr eroeffnet werden.

In den Jahren zuvor war das Shanti-Projekt u.a. in einem leerstehenden Hotel untergebracht.
Der Shanti Sewa Griha Verein hat mehrere Standorte in und um Kathmandu: Das grosse Zentrum beherbergt eine Vielzahl von Werkstaetten, einen Kindergarten, eine Klinik bzw. ein Rehabilitationszentrum und das Buero, indem die Organisation und Verwaltung stattfindet. In umliegenden Haeusern wohnen die Menschen, die Shanti aufgenommen hat und die nun zu der grossen Shanti-Familie gehoeren.

Ein zweiter Standort findet sich etwas ausserhalb der Stadt an den Berghaengen, die das Kathmandu-Tal umgeben - eine Oase im Gruenen mit sauberer Luft. Dort hat Shanti e.V vor ca. 14 Jahren ein Grundstueck kaufen koennen. Heute haben hier die behinderten Kinder ein Zuhause, ausserdem gibt es dort eine kleine Schule (Klasse 1 bis 5), die nach der Waldorfpaedagogik arbeitet, ein Internat, indem die Kinder wohnen, deren Schulweg zu weit ist oder die keine Eltern mehr haben.
An zwei weiteren Orten in der Umgebung von Kathmandu wird oekologische Landwirtschaft betrieben.
Fuer detailliertere Informationen und Bilder schaut euch die Website des Vereins an:
www.shanti-leprahilfe.de
Ich bin beeindruckt von dem was hier in Nepal auf die Beine gestellt wurde und nun recht sicher steht und habe grossen Respekt vor der Arbeit des Vereins!

Was meine Arbeit betrifft, habe ich mich bisher ersteinmal ein bisschen umgeschaut, um zu sehen, wo ich arbeiten moechte und wo meine Unterstuetzung benoetigt wird. Denn fuer die Freiwilligen die hier sind gibt es keine konkreten Arbeitsfelder, man muss sich seine Aufgaben selber finden.

Ein erstes kleines Projekt was ich begonnen habe, ist die Einrichtungdes "Show-Rooms". Dort sollen Produkte aus den Werkstaetten fuer Besucher zur Besichtigung und zum Verkauf ausgestellt werden.
Ich habe auch schon beim Unterricht in der Schule zugeschaut und mich bei der woechentlichen Konferenz den Lehrerinnen vorgestellt. Ich wuerde gerne einige Tage in der Woche regelmaessig in der Schule arbeiten. Wie genau meine Arbeit aussehen wird, zeigt sich im Laufe der naechsten Woche. Ich werde wohl zunaechst ein bisschen Foerderunterricht geben und die Lehrerinnen waehrend des Unterrichtes und paedagogisch unterstuetzen.

In meiner ersten Woche hier habe ich schon einiges in Kathmandu unternommen.
Vor ein paar Tagen war ich in Pashupatinath am heiligen Fluss Bagmati, wo die Feuerbestattungen stattfinden. Es ist schwierig sich vorzustellen, dass der Fluss heilig ist, denn das Wasser ist voellig verdreckt und die Ufer sind von Muell gesaeumt.
Wenn ein hinduistischer Nepali stirbt, moechte er hier verbrannt werden. Der Leichnam wird auf aufgeschichtetes Holz und Stroh auf die Stufen am Ufer gelegt und im Regelfall vom aeltesten Sohn der Familie angezuendet.
Ich finde die Symbolik der Feuerbestattung sehr schoen: Der Rauch steigt hinauf so wie die Seele und was zurueckbleibt ist die Asche, die dann in den Fluss und in die Erde gelangt.
Anders als bei uns haben die Zurueckgebliebenen keinen bestimmten Ort, an dem sie um den Verstorbenen trauern koennen. Ich weiss auch garnicht, wie das hier mit dem Trauern ist. Als ich dort an der Verbrennungststaette war, habe ich kein Klagen und kein Weinen erlebt. Waehrend ein Mann, der wohl die Aufgabe hatte, die bei uns ein Totengraeber hat, sich um das Feuer kuemmerte, sassen die Angehoerigen im Hintergrund und warteten still, bis der Leib, das Holz und das Stroh zu Asche zerfallen und das Feuer erlischt.

So habe ich Erlebnisse wie in Pashupatinath, die mich tief beeindrucken und beruehren, finde mich aber auch in Situationen wieder, die mich erschuettern.
Wie z.B. als wir gestern Abend aus einem Restaurant kamen und ein kleine schmutziger Junge uns anbettelte. Wir gaben ihm nichts und er ging fort. Meine Augen folgten ihm und sahen ihn und andere Jungen (alle nicht älter als 10) tief aus einer kleinen Plastiktüte inhalieren, in der Klebstoff war. Kurz darauf stritten sie um eine Zigarette.
Hier erlebe ich meine eigene Hilflosigkeit als erschütternd: Ich kann diesen Kindern nicht helfen, obwohl ich Geld habe und etwas zu Essen, was ich ihnen geben könnte. Denn ich weiss, dass es ihnen nicht helfen würde, aus diesem Zustand herauszukommen. Diese Kinder brauchen langfristige, kontinuierliche und durchdachte Hilfe.

Wenn abends der Tag zur Ruhe kommt, sind all diese schönen und auch die erschütternden Eindrücke in mir und ich bin froh um diese Vielfalt und darüber, das alles hier erleben zu dürfen, auch wenn es nicht immer leicht ist diese Widersprüchlichkeiten miteinander zu vereinbaren.

Mittwoch, 27. Januar 2010

Ich gruesse das Goettliche in Dir

...heisst der nepalische Gruss "Namaste" uebersetzt. So begruesst und verabschiedet man sich hier und legt dabei die Handflaechen aneinander, was auf garkeinen Fall dabei fehlen darf: Das Laecheln.
Das Laecheln begegnet mir hier ueberall: Im Gesicht einer alten Frau, die am Strassenrand Gemuese verkauft, im Gesicht eines kleinen Jungen, der an mir vorbeirennt, im Gesicht zweier Maenner, die vorbeigehen.

Meine erste Fahrt auf Kathmandus Strassen war ein eindrucksvolles Erlebnis: Das totale Chaos! Grosse und kleine Autos, Motoraeder , voellig ueberfuellte Busse, Fahrraeder - alle versuchen sich ihren Weg zu bahnen. Doch beim genaueren Hinschauen merke ich: Es ist garkein Chaos. Alles laeuft wie in unsichtbaren Bahnen, ich sehe keine Zusammenstoesse, kein aergerliches Gesicht hinterm Steuer, hoere kein wuetendes Gebruell.
Wenn es dann einmal schneller dahergeht, ueber Schlagloecher hinweg, um nichteinsehbare Kurven herum und mit fragwuerdigen Ueberholmanoevern, hilft nichts anderes als blindes, naives Vetrauen in den Fahrer - er wird schon wissen was er tut.

Einige Sachen sind einfach so schraeg und verrueckt, dass ich eigentlich bloss drueber lachen kann. Wie z.B. der Taxifahrer, der mit uns (mir und drei anderen jungen deutschen Freiwilligen) gerade seine zweite Fahrt machte, denn den Fuehrerschein hatte er erst seit kurzem. Geruckel, Abwuergen, wackliges Lenken und keine Orientierung, also mussten wir ihn lotsen:
"Left please."
"Left?"
"Yes, left."
"Left?! Okay, left."
Oder als wir in einem etwas schickeren Restaurant essen waren: Weisse Tischdecken, eine Kolonne von Obern mit Servietten ueber dem Arm und allem was dazugehoert. Unser Ober bringt den Wein und schenkt ihn ein. Ups! das letzte Glas bekommt nur noch ein paar Troepfchen ab. Kurzerhand nimmt da der junge Mann die anderen Glaeser und schuettet den Wein so lange von Glas zu Glas, bis in jedem ungefaehr gleich viel ist.
Situationen wie diese sind einfach nur witzig, weil sie voellig unerwartet kommen.

Was auch voellig unerwartet kommen kann: Strom! Ploetzlich ist er wieder da! Jetzt koennen wieder Akkus aufgeladen, Lampen angeknipst und Haare gefoehnt werden... Das Wasser aus den Leitungen kann man nicht trinken bzw. sollte man nicht, wenn man einige Tage in Bett und Bad vermeiden moechte. Warmes Wasser gibt es nur selten.
Im Moment stoeren mich diese alltaeglichen Andersartigkeiten nicht, es ist eher schoen zu merken: Es geht auch so!
Mal sehen, ob ich in ein paar Wochen auch noch so denke...

Die anderen Freiwilligen, die schon ein paar Wochen laenger da sind, zeigen mir alles und ich finde mich jeden Tag ein bisschen besser zurecht.
Von meiner Arbeit und dem Shanti-Projekt moechte ich in meinem naechsten Blog berichten. Internetverbindungen und Tastaturen die gut funktionieren, darf man in einem Internetcafe nicht erwarten.
Aber macht euch keine Sorgen, mir geht es gut, ich fuehle mich wohl hier und freue mich auf jeden Tag!

Donnerstag, 7. Januar 2010

Einige Gedanken zur Entwicklungshilfe

Nach dem Abitur mit Straßenkindern in Nicaragua arbeiten, sich ein Jahr lang in einem südafrikanischen Township für die Aidsbekämpfung engagieren oder behinderten Menschen in Kirgistan helfen? – mithilfe von Entsendeorganisationen und im Zeitalter der Globalisierung kinderleicht zu verwirklichen. Viele junge Erwachsene zieht es nach der Schule oder während des Studiums in ein Entwicklungsland. Dies ist eine bemerkenswerte Weltoffenheit, Hilfsbereitschaft und Abenteuerlust meiner Generation, aber auch ein umstrittenes Thema, mit dem ich mich kritisch auseinander gesetzt habe:

Ein junger Mensch geht in ein fremdes Land um dort Entwicklungshilfe zu leisten.
Genaugenommen möchte er einem Land und seinen Menschen helfen sich (weiter-) zu entwickeln, obwohl ihm die Kultur, die Land und Menschen prägt völlig fremd ist, und er auch sonst noch nicht viel Lebenserfahrung hat – geschweige denn eine Ausbildung in der Entwicklungszusammenarbeit.
Aus welchen Gründen möchte ich also Entwicklungshilfe in Nepal leisten?

Ich denke, dass es für mich, die ich das Glück habe zu der wohlhabenden Minderheit der Weltbevölkerung zu gehören, wichtig ist, Armut nicht bloß aus dem Fernsehen zu kennen, sondern sie zu erfahren. Die Armut wirklich in mein Bewusstsein aufzunehmen, indem ich für eine Zeit lang in einem armen Land lebe und arbeite.
Das ist wichtig, weil ich als Bürgerin eines hochentwickelten und reichen Landes wie Deutschland Verantwortung trage. Diese Verantwortung bedeutet nicht, dass ich Menschen in einem Entwicklungsland von meinen westlichen Werten, Moralvorstellungen und politischen Einstellungen versuche zu überzeugen. Nein, diese Verantwortung bedeutet, dazu beizutragen, dass die Grundbedürfnisse der hilfebedürftigen Menschen erfüllt werden und somit seine Würde bewahrt wird.
In einer Zeit meines Lebens, in der mir noch alle Wege offen stehen und in der ich noch viele Ideale und Kräfte habe, möchte ich diese Verantwortung ganz konkret übernehmen und zwar durch meine Mitarbeit in einem Entwicklungshilfe-Projekt.
Auch wenn ich fachlich keine Ahnung von nachhaltiger Entwicklungszusammenarbeit habe, so hoffe ich, dass zumindest die Geste, mit der ich nach Nepal gehe, nachhaltig wirken kann.
Indem ich mich als Freiwillige engagiere, möchte ich den Menschen dort zeigen:
Ihr seid uns westlichen Menschen nicht gleichgültig! Ich interessiere mich für eure Kultur und die Ungerechtigkeiten, die euch widerfahren und ich werde in meinem Heimatland davon erzählen!

So hoffe ich, in einem kleinen Schritt dazu beitragen zu können, dass unserer Welt nicht bloß wirtschaftlich zusammenwächst (bedingt durch die Globalisierung), sondern auch bewusstseinsmäßig. Und dass aus diesem Bewusstsein heraus immer mehr Menschen beginnen, Mitgefühl zu entwickeln und Verantwortung zu übernehmen – sei es auch bloß im kleinsten alltäglichen Rahmen.
Verantwortung für diejenigen Menschen, für die die Erfüllung der täglichen Grundbedürfnisse keine Selbstverständlichkeit ist.