Mittwoch, 27. Januar 2010

Ich gruesse das Goettliche in Dir

...heisst der nepalische Gruss "Namaste" uebersetzt. So begruesst und verabschiedet man sich hier und legt dabei die Handflaechen aneinander, was auf garkeinen Fall dabei fehlen darf: Das Laecheln.
Das Laecheln begegnet mir hier ueberall: Im Gesicht einer alten Frau, die am Strassenrand Gemuese verkauft, im Gesicht eines kleinen Jungen, der an mir vorbeirennt, im Gesicht zweier Maenner, die vorbeigehen.

Meine erste Fahrt auf Kathmandus Strassen war ein eindrucksvolles Erlebnis: Das totale Chaos! Grosse und kleine Autos, Motoraeder , voellig ueberfuellte Busse, Fahrraeder - alle versuchen sich ihren Weg zu bahnen. Doch beim genaueren Hinschauen merke ich: Es ist garkein Chaos. Alles laeuft wie in unsichtbaren Bahnen, ich sehe keine Zusammenstoesse, kein aergerliches Gesicht hinterm Steuer, hoere kein wuetendes Gebruell.
Wenn es dann einmal schneller dahergeht, ueber Schlagloecher hinweg, um nichteinsehbare Kurven herum und mit fragwuerdigen Ueberholmanoevern, hilft nichts anderes als blindes, naives Vetrauen in den Fahrer - er wird schon wissen was er tut.

Einige Sachen sind einfach so schraeg und verrueckt, dass ich eigentlich bloss drueber lachen kann. Wie z.B. der Taxifahrer, der mit uns (mir und drei anderen jungen deutschen Freiwilligen) gerade seine zweite Fahrt machte, denn den Fuehrerschein hatte er erst seit kurzem. Geruckel, Abwuergen, wackliges Lenken und keine Orientierung, also mussten wir ihn lotsen:
"Left please."
"Left?"
"Yes, left."
"Left?! Okay, left."
Oder als wir in einem etwas schickeren Restaurant essen waren: Weisse Tischdecken, eine Kolonne von Obern mit Servietten ueber dem Arm und allem was dazugehoert. Unser Ober bringt den Wein und schenkt ihn ein. Ups! das letzte Glas bekommt nur noch ein paar Troepfchen ab. Kurzerhand nimmt da der junge Mann die anderen Glaeser und schuettet den Wein so lange von Glas zu Glas, bis in jedem ungefaehr gleich viel ist.
Situationen wie diese sind einfach nur witzig, weil sie voellig unerwartet kommen.

Was auch voellig unerwartet kommen kann: Strom! Ploetzlich ist er wieder da! Jetzt koennen wieder Akkus aufgeladen, Lampen angeknipst und Haare gefoehnt werden... Das Wasser aus den Leitungen kann man nicht trinken bzw. sollte man nicht, wenn man einige Tage in Bett und Bad vermeiden moechte. Warmes Wasser gibt es nur selten.
Im Moment stoeren mich diese alltaeglichen Andersartigkeiten nicht, es ist eher schoen zu merken: Es geht auch so!
Mal sehen, ob ich in ein paar Wochen auch noch so denke...

Die anderen Freiwilligen, die schon ein paar Wochen laenger da sind, zeigen mir alles und ich finde mich jeden Tag ein bisschen besser zurecht.
Von meiner Arbeit und dem Shanti-Projekt moechte ich in meinem naechsten Blog berichten. Internetverbindungen und Tastaturen die gut funktionieren, darf man in einem Internetcafe nicht erwarten.
Aber macht euch keine Sorgen, mir geht es gut, ich fuehle mich wohl hier und freue mich auf jeden Tag!

Donnerstag, 7. Januar 2010

Einige Gedanken zur Entwicklungshilfe

Nach dem Abitur mit Straßenkindern in Nicaragua arbeiten, sich ein Jahr lang in einem südafrikanischen Township für die Aidsbekämpfung engagieren oder behinderten Menschen in Kirgistan helfen? – mithilfe von Entsendeorganisationen und im Zeitalter der Globalisierung kinderleicht zu verwirklichen. Viele junge Erwachsene zieht es nach der Schule oder während des Studiums in ein Entwicklungsland. Dies ist eine bemerkenswerte Weltoffenheit, Hilfsbereitschaft und Abenteuerlust meiner Generation, aber auch ein umstrittenes Thema, mit dem ich mich kritisch auseinander gesetzt habe:

Ein junger Mensch geht in ein fremdes Land um dort Entwicklungshilfe zu leisten.
Genaugenommen möchte er einem Land und seinen Menschen helfen sich (weiter-) zu entwickeln, obwohl ihm die Kultur, die Land und Menschen prägt völlig fremd ist, und er auch sonst noch nicht viel Lebenserfahrung hat – geschweige denn eine Ausbildung in der Entwicklungszusammenarbeit.
Aus welchen Gründen möchte ich also Entwicklungshilfe in Nepal leisten?

Ich denke, dass es für mich, die ich das Glück habe zu der wohlhabenden Minderheit der Weltbevölkerung zu gehören, wichtig ist, Armut nicht bloß aus dem Fernsehen zu kennen, sondern sie zu erfahren. Die Armut wirklich in mein Bewusstsein aufzunehmen, indem ich für eine Zeit lang in einem armen Land lebe und arbeite.
Das ist wichtig, weil ich als Bürgerin eines hochentwickelten und reichen Landes wie Deutschland Verantwortung trage. Diese Verantwortung bedeutet nicht, dass ich Menschen in einem Entwicklungsland von meinen westlichen Werten, Moralvorstellungen und politischen Einstellungen versuche zu überzeugen. Nein, diese Verantwortung bedeutet, dazu beizutragen, dass die Grundbedürfnisse der hilfebedürftigen Menschen erfüllt werden und somit seine Würde bewahrt wird.
In einer Zeit meines Lebens, in der mir noch alle Wege offen stehen und in der ich noch viele Ideale und Kräfte habe, möchte ich diese Verantwortung ganz konkret übernehmen und zwar durch meine Mitarbeit in einem Entwicklungshilfe-Projekt.
Auch wenn ich fachlich keine Ahnung von nachhaltiger Entwicklungszusammenarbeit habe, so hoffe ich, dass zumindest die Geste, mit der ich nach Nepal gehe, nachhaltig wirken kann.
Indem ich mich als Freiwillige engagiere, möchte ich den Menschen dort zeigen:
Ihr seid uns westlichen Menschen nicht gleichgültig! Ich interessiere mich für eure Kultur und die Ungerechtigkeiten, die euch widerfahren und ich werde in meinem Heimatland davon erzählen!

So hoffe ich, in einem kleinen Schritt dazu beitragen zu können, dass unserer Welt nicht bloß wirtschaftlich zusammenwächst (bedingt durch die Globalisierung), sondern auch bewusstseinsmäßig. Und dass aus diesem Bewusstsein heraus immer mehr Menschen beginnen, Mitgefühl zu entwickeln und Verantwortung zu übernehmen – sei es auch bloß im kleinsten alltäglichen Rahmen.
Verantwortung für diejenigen Menschen, für die die Erfüllung der täglichen Grundbedürfnisse keine Selbstverständlichkeit ist.