Montag, 1. Februar 2010

Beeindruckendes und Erschuetterndes

Ich mache mich auf den Weg zum Shanti-Zentrum. Ich laufe durch kleine Gassen, an einem chaotischen Markt vorbei und schliesslich an einer grossen Strasse entlang. Ich merke: Es sind sehr viele Augen auf mich gerichtet, die ihre Neugier nicht verstecken. Ja, als hellhaeutige, blonde, westlich gekleidete Frau faellt man hier sehr auf.
Wir westlichen Menschen gelten hier als besonders schoen, vorallem unsere helle Haut. In der Stadt sehe ich hin und wieder grosse Werbeplakate auf denen Schoenheitsprodukte eine hellere Haut versprechen.

Im Zentrum angekommen werde ich freundlich begruesst: "Namaste!"
Die Gebaeude konnten mithilfe einer grossen Spende, die Hape Kerkeling in einem beruehmten Fernsehquiz erspielte und durch andere Spendengelder gebaut und vor ca. einem Jahr eroeffnet werden.

In den Jahren zuvor war das Shanti-Projekt u.a. in einem leerstehenden Hotel untergebracht.
Der Shanti Sewa Griha Verein hat mehrere Standorte in und um Kathmandu: Das grosse Zentrum beherbergt eine Vielzahl von Werkstaetten, einen Kindergarten, eine Klinik bzw. ein Rehabilitationszentrum und das Buero, indem die Organisation und Verwaltung stattfindet. In umliegenden Haeusern wohnen die Menschen, die Shanti aufgenommen hat und die nun zu der grossen Shanti-Familie gehoeren.

Ein zweiter Standort findet sich etwas ausserhalb der Stadt an den Berghaengen, die das Kathmandu-Tal umgeben - eine Oase im Gruenen mit sauberer Luft. Dort hat Shanti e.V vor ca. 14 Jahren ein Grundstueck kaufen koennen. Heute haben hier die behinderten Kinder ein Zuhause, ausserdem gibt es dort eine kleine Schule (Klasse 1 bis 5), die nach der Waldorfpaedagogik arbeitet, ein Internat, indem die Kinder wohnen, deren Schulweg zu weit ist oder die keine Eltern mehr haben.
An zwei weiteren Orten in der Umgebung von Kathmandu wird oekologische Landwirtschaft betrieben.
Fuer detailliertere Informationen und Bilder schaut euch die Website des Vereins an:
www.shanti-leprahilfe.de
Ich bin beeindruckt von dem was hier in Nepal auf die Beine gestellt wurde und nun recht sicher steht und habe grossen Respekt vor der Arbeit des Vereins!

Was meine Arbeit betrifft, habe ich mich bisher ersteinmal ein bisschen umgeschaut, um zu sehen, wo ich arbeiten moechte und wo meine Unterstuetzung benoetigt wird. Denn fuer die Freiwilligen die hier sind gibt es keine konkreten Arbeitsfelder, man muss sich seine Aufgaben selber finden.

Ein erstes kleines Projekt was ich begonnen habe, ist die Einrichtungdes "Show-Rooms". Dort sollen Produkte aus den Werkstaetten fuer Besucher zur Besichtigung und zum Verkauf ausgestellt werden.
Ich habe auch schon beim Unterricht in der Schule zugeschaut und mich bei der woechentlichen Konferenz den Lehrerinnen vorgestellt. Ich wuerde gerne einige Tage in der Woche regelmaessig in der Schule arbeiten. Wie genau meine Arbeit aussehen wird, zeigt sich im Laufe der naechsten Woche. Ich werde wohl zunaechst ein bisschen Foerderunterricht geben und die Lehrerinnen waehrend des Unterrichtes und paedagogisch unterstuetzen.

In meiner ersten Woche hier habe ich schon einiges in Kathmandu unternommen.
Vor ein paar Tagen war ich in Pashupatinath am heiligen Fluss Bagmati, wo die Feuerbestattungen stattfinden. Es ist schwierig sich vorzustellen, dass der Fluss heilig ist, denn das Wasser ist voellig verdreckt und die Ufer sind von Muell gesaeumt.
Wenn ein hinduistischer Nepali stirbt, moechte er hier verbrannt werden. Der Leichnam wird auf aufgeschichtetes Holz und Stroh auf die Stufen am Ufer gelegt und im Regelfall vom aeltesten Sohn der Familie angezuendet.
Ich finde die Symbolik der Feuerbestattung sehr schoen: Der Rauch steigt hinauf so wie die Seele und was zurueckbleibt ist die Asche, die dann in den Fluss und in die Erde gelangt.
Anders als bei uns haben die Zurueckgebliebenen keinen bestimmten Ort, an dem sie um den Verstorbenen trauern koennen. Ich weiss auch garnicht, wie das hier mit dem Trauern ist. Als ich dort an der Verbrennungststaette war, habe ich kein Klagen und kein Weinen erlebt. Waehrend ein Mann, der wohl die Aufgabe hatte, die bei uns ein Totengraeber hat, sich um das Feuer kuemmerte, sassen die Angehoerigen im Hintergrund und warteten still, bis der Leib, das Holz und das Stroh zu Asche zerfallen und das Feuer erlischt.

So habe ich Erlebnisse wie in Pashupatinath, die mich tief beeindrucken und beruehren, finde mich aber auch in Situationen wieder, die mich erschuettern.
Wie z.B. als wir gestern Abend aus einem Restaurant kamen und ein kleine schmutziger Junge uns anbettelte. Wir gaben ihm nichts und er ging fort. Meine Augen folgten ihm und sahen ihn und andere Jungen (alle nicht älter als 10) tief aus einer kleinen Plastiktüte inhalieren, in der Klebstoff war. Kurz darauf stritten sie um eine Zigarette.
Hier erlebe ich meine eigene Hilflosigkeit als erschütternd: Ich kann diesen Kindern nicht helfen, obwohl ich Geld habe und etwas zu Essen, was ich ihnen geben könnte. Denn ich weiss, dass es ihnen nicht helfen würde, aus diesem Zustand herauszukommen. Diese Kinder brauchen langfristige, kontinuierliche und durchdachte Hilfe.

Wenn abends der Tag zur Ruhe kommt, sind all diese schönen und auch die erschütternden Eindrücke in mir und ich bin froh um diese Vielfalt und darüber, das alles hier erleben zu dürfen, auch wenn es nicht immer leicht ist diese Widersprüchlichkeiten miteinander zu vereinbaren.